Station 3: Kurfürstenzyklus

 

 

Kämpfer! Darstellung und Realität

Bei der Verewigung mächtiger Männer kommt es nicht unbedingt darauf an, sie lebensgetreu abzubilden – aber die Botschaft muss stimmen.

Bis heute definiert sich Mainz über seine geschichtsträchtige Vergangenheit und dazugehörigen Persönlichkeiten wie beispielsweise Johannes Gutenberg. Während zur Zeit neben dem Erfinder des Buchdrucks vor allem die Römer im Fokus stehen, wählte die Stadtbevölkerung im Spätmittalter andere Personen aus. Dazu gehörten unter anderem die Kurfürsten sowie der von ihnen gewählte und im Jahr 1314 gekrönte König Ludwig IV., die mit einem monumentalen Zyklus geehrt wurden. Dieser kann heute als Nachbildung am Rheinufer besucht und im Original im Landesmuseum Mainz bewundert werden.

Der Kurfürstenzyklus im Landesmuseum. Foto: U. Wallbrecher, Landesmuseum Mainz

 

Während das Original des Kurfürstenzyklus aktuell ein wichtiger Teil der Ausstellung „Säulen der Macht“ darstellt, war es im Spätmittelalter an der Außenwand eines Kaufhauses angebracht und so im Alltag präsent. Die Vereinnahmung des Königs für die Außenpräsentation der Stadt – ganz ähnlich, wie es heute mit Johannes Gutenberg geschieht – diente nicht nur dazu, die eigene Bedeutsamkeit zu unterstreichen, sondern war Teil einer Legitimierungs- und Herrschaftsstrategie. Ein solches Vorgehen lässt sich in der Geschichte häufig beobachten: So auch beispielsweise bei einer wichtigen Schlacht, die Ludwig im Jahr 1322 gewann. Die schriftlichen Quellen über diese Schlacht vermitteln unterschiedliche Vorstellungen von den Kontrahenten, ihrem Ablauf und den (politischen) Folgen. Während einige Chronisten Ludwig als Sieger präsentierten, betonten andere, dass die Schlacht zwar gewonnen, der Krieg aber noch längst nicht entschieden sei, oder stellten ihn als unfähigen Herrscher dar. Ähnliches findet beim Kurfürstenzyklus statt, der Ludwig im Kreis seiner Wähler als legitimen König und Herrscher präsentiert.

König Ludwig IV., Nachbildung am Rheinufer. Foto: Patrick Walter Marx

 

Historische Ereignisse waren oft nicht so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick erscheinen, und verschiedene Akteure – seien es ChronistInnen oder eine Stadtbevölkerung wie beispielsweise jene von Mainz – nutzen die Vergangenheit, um sich selbst, ihre Gruppe oder bestimmte Personen in ein bestimmtes Licht zu rücken.

Die Tatsache, dass die auf dem Kurfürstenzyklus abgebildeten Personen (ein König sowie verschiedene Mitglieder des Adels und des Klerus) als Kämpfer dargestellt werden, ermöglicht Rückschlüsse auf das damalige Idealbild der herrschenden Elite: Sie sollten unter anderem hervorragende Krieger sein und entsprechend diese Rolle ausfüllen können. Das galt im Spätmittelalter nicht nur für West-, sondern auch für Osteuropa: Im byzantinischen Reich lässt sich in der Mitte des 13. bis zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Ähnliches feststellen, allerdings nicht auf Denkmälern, sondern vor allem in den Schriften der damaligen Menschen. Die Autoren, die von den jeweiligen politischen Umständen beeinflusst wurden, konstruierten Bilder eines siegreichen Kriegerkaisers.

Darüber hinaus zeigt die Darstellung von Generälen und Soldaten als Kämpfer, dass ein Modell des idealen Kämpfers und seines Verhaltens existierte. Dieses beeinflusste wiederum die Art und Weise, wie die Autoren die Beteiligung der oben genannten Gruppen an Kriegsereignissen beschrieben. Die Berichterstattung über Kriege ist immer von der Perspektive der jeweiligen Autor*innen geprägt - eine Tatsache, die gerade in der heutigen Zeit von großer Bedeutung ist.

 

Der Kurfürstenzyklus (die Nachbildung am Rheinufer).

 

AutorInnen:

Helen Wiedmaier

Christos Zafeiropoulos