Station 4: SMS-Denkmal

 

 

Heldentum in der Niederlage - Erinnerung an Krieg

Auch die Erinnerung an Niederlagen – mit der Erzählung von Heldentum und Leid – kann dafür verwendet werden, die Einheit einer Nation oder eines Glaubens zu beschwören.

1939 erinnert Mainz aus nationalsozialistischer Perspektive an den verlorenen Ersten Weltkrieg, an das Leid und an heldenhafte Soldaten. Das Denkmal für den Kreuzer SMS Mainz am Adenauerufer gedenkt dabei der Soldaten, die während des Ersten Weltkriegs am 28. August 1914 nahe der Insel Helgoland auf See ihr Leben verloren. Der Schriftzug »SEEFAHRT IST NOT« bezieht sich auf den 1913 erschienen Roman des Schriftstellers Gorch Fock, der 1916 in der Seeschlacht im Skagerrak ums Leben gekommen ist.

Eine Fotografie zeigt die SMS Mainz kurz vor dem Sinken am 28. August 1914. Aufgenommen vom Deck eines britischen Kreuzers.

 

Die russische Geschichtsschreibung blickte im 18. Jahrhundert ebenso auf Kriege zurück. Ihr Ziel lag darin, wie beim Mainzer SMS-Denkmal, den Zusammenhalt und das Nationsbewusstsein des Volkes zu fördern. Deshalb erhielten auch die Schlachten der Kiever Rus‘ gegen Byzanz vom 9.–12. Jh. darin Aufmerksamkeit, vor allem die Kämpfe im Jahre 971. Laut dem Geschichtsschreiber Michail Lomonosov (1711–1765) sei die Einnahme von Bulgarien durch den russischen Großfürsten Svjatoslav I. im Jahr 969 die Ursache für die Kämpfe gewesen. Nach einem erfolgreichen Angriff der Kiever Rus‘ und ihrer Verbündeten auf Thrakien, bekriegten byzantinische Truppen Svjatoslavs neue Residenzstadt Perejaslavez in Bulgarien: Die Byzantiner »gebrauchten Feuer […] und machten den Russen den Garaus.«1 Der Großfürst Svjatoslav soll seine Krieger bei der finalen Schlacht bei Dorostolon zum Kampf motiviert haben: »Lasst uns tapfer fechten […]!«2 Doch sie verloren.

Der russische Maler Boris Chorikov erinnert mit seiner Zeichnung an den Tod Svjatoslavs (nach Michail Lomonosov in einem Hinterhalt) im Jahr 972 bei dessen Rückweg von der Schlacht nach Kiew.

 

Kriegserinnerungen und -traumata werden in allen Zeiten verarbeitet und gehen häufig in die Erinnerungskultur ein. Schmerzhafte Niederlagen können dabei wie beim SMS-Denkmal durch Heldenerzählungen ausgeglichen werden.

Bei einer weiteren verlorenen Schlacht, die in Osteuropa ein paar Jahrhunderte zuvor in einem anderen Rahmen stattfand, finden wir eine andere Form des Gedenkens. Im Jahr 1496 ließ Stephan der Große (1457–1504), zwei Jahrzehnte nachdem er in der Schlacht von Războieni (26. Juli 1476) in der Moldau (dem heutigen Rumänien) von den Osmanen besiegt wurde, in der Nähe des Schlachtfeldes eine Kirche errichten. Sie war den heiligen Erzengeln Michael und Gabriel geweiht. Der Zweck der Kirche wird anhand der Inschrift sichtbar: »Zur Erinnerung und zum Gedenken an alle christlichen Gläubigen, die hier gestorben sind«. Stephan beschloss, ihnen nicht nur eine heilige Begräbnisstätte zu widmen, sondern gleichzeitig dafür zu sorgen, dass ihr Andenken und ihr Opfer immer in Erinnerung bleiben. Die sterblichen Überreste der moldauischen Soldaten, die gegen die osmanischen »Ungläubigen« kämpften, wurden von ihrer ursprünglichen Grabesstätte geholt und in einem Beinhaus unter dem Altar der Kirche beigesetzt.

Războieni Kloster, Rumänien.

 

Denkmäler dienen mehreren Zwecken, die manchmal nicht ganz offensichtlich sind. So könnte das SMS-Denkmal auch als Grabstein für die auf See Gefallenen gesehen werden, während das Moldaukloster und sein Beinhaus die Geschichte eines Fürsten erzählen könnten, der seiner gefallenen Soldaten als Märtyrer gedenken wollte.

 

ANMERKUNGEN:

1 Lomonosov, Michail: Drevnjaja istorija rossijkaja. St. Petersburg 1766. S. 86.

2 Ebd., S. 90.

 

 

Autorinnen:
Oana-Andreea Chiriluș
Sophia Sonja Guthier