Station 5: Römisches Theater

 

 

Bauwerke als argumentatives und architektonisches Verteidigungsmittel

Auf den ersten Blick hat ein Theater wenig mit Krieg zu tun. Und doch konnte es in Konfliktsituationen unvermittelt zur Waffe werden - in übertragenem Sinne als Argument in einer religiösen Auseinandersetzung oder ganz konkret als Festung. Das gilt auch für Amphitheater, die als Orte von beispielweise Gladiatorenspielen schon eng mit der Sphäre des Kampfes verbunden waren.

Theater gehörten für die Römer früher so selbstverständlich zum Stadtbild wie für uns heute der Mainzer Dom. Am Rande der Mainzer Innenstadt findet sich ein römisches Bühnentheater, ein Ort, wo die Römer Theateraufführungen genießen konnten. Einen mehr ‚kriegerischen‘ Theatertyp stellten die Amphitheater dar, in denen Gladiatoren- und Tierkämpfe veranstaltet wurden. Diese Kämpfe und Spiele waren für die Römer fester Teil des öffentlichen Lebens und der Freizeitbeschäftigung. Auch die Verehrung der vielen römischen Götter spielte dabei eine wichtige Rolle. Die Theaterbauten blieben aber auch im christlichen Mittelalter von Bedeutung.

Gladiatoren im Amphitheater: Die Darbietung von Kämpfen war im antiken Theaterprogramm fest integriert.

 

Die Römer versprachen sich durch die angemessene Verehrung ihrer Götter politischen Erfolg und göttliche Unterstützung in Kriegs- und Krisenzeiten. Misserfolge wurden damit erklärt, dass die Götter ihre Unterstützung zurückhielten. Die Christen lehnten vieles an der römischen Lebensweise ab. So gingen sie weder ins Theater noch ins Amphitheater. Vor allem wollten sie die römischen Götter nicht verehren. Deshalb machte die restliche Bevölkerung sie schnell für geschehene Misserfolge und Unglücke verantwortlich.

Bosra, Syrien. - Beispiel für ein gut erhaltenes römisches Theater: Bühne (mittig unten) und Zuschauerränge (halbkreisförmig ringsum) – Amphitheater von amphi (griechisch) = rund.

 

Als im Jahr 410 n.Chr. ein Heer von gotischen Soldaten die Stadt Rom stürmte, plünderte und zerstörte, gaben viele Römer den Christen die Schuld an dieser Katastrophe. Ein damaliger christlicher Geschichtsschreiber, namens Orosius, wies die Vorwürfe mit einem geschickten Argument zurück. Da Theaterspiele fest zum römischen Götterkult gehörten, konterte er: Nur Theater hätten doch offensichtlich niemandem bei einer Verteidigung gegen die feindlichen Soldaten geholfen.

Im christlichen Mittelalter wurden die antiken Theater und Amphitheater nicht mehr für Aufführungen und Spiele, sondern oft als Verteidigungsorte genutzt. Wegen ihrer Bauweise und Größe waren sie leicht zu verteidigen. Am Römischen Theater in Mainz kann man sehen, wie der Ort mit der Zeit seine Funktion veränderte: Zusammen mit der Zitadelle wurde er Teil der frühneuzeitlichen Mainzer Stadtumwandlung in eine Festung.

Eine wichtige Rolle als Verteidigungsort erlangte beispielsweise auch ein umfunktioniertes Amphitheater in Capua, einer Stadt in Süditalien. Die Hauptquelle dazu ist eine Schrift des Autors Erchempert aus dem 9. Jahrhundert. Er berichtet, wie das Bauwerk von feindlichen Truppen aus Neapel als Festung genutzt wurde, um von dort aus den Bewohnern Capuas das Leben zur Hölle zu machen. Erst nach einer mehrtägigen Belagerung und Bombardierung des Amphitheaters mit Kriegsmaschinen konnten die Einwohner Capuas ihre Feinde von dort vertreiben. Auf diese Weise wurde ein Ort, der früher für kriegerische Spiele genutzt wurde, während eines tatsächlichen kriegerischen Konflikts entscheidend.

Amphitheater Capua, Italien. – Innenansicht.

 

Die Christen gaben römischen Bauwerken oft eine neue Bedeutung. Obwohl das christliche Mittelalter der göttergeprägten Antike folgte, blieben Bauwerke aus römischer Zeit bis heute erstaunlich zahlreich erhalten.

Amphitheater Capua, Italien. – Außenansicht.

 

AutorInnen:
Bart Peters
Sonja Ulrich