Station 6: Drususstein

 

 

Erinnern am Legionslager – Das Mainzer Totenmonument für den Stiefsohn des Kaisers Augustus

Kann ein Denkmal einer Gemeinschaft helfen, einen schwerwiegenden Verlust zu bewältigen?

Im südlichen Areal der Mainzer Zitadelle befindet sich zwischen dem Stadthistorischen Museum und einem Hang der Drususstein. Das unscheinbare, schmucklose Bauwerk ist ein häufig übersehenes und dennoch einzigartiges Zeugnis der Mainzer Stadtgeschichte. Es erinnert an den bedeutenden römischen Truppenführer Drusus (38 v. Chr.–9 v. Chr.), den Stiefsohn des Kaisers Augustus (63 v. Chr.–14 n. Chr.).

Büste des Kaisers Augustus in der Glyptothek, München.

 

Drusus hatte sowohl im Alpenraum als auch im rechtsrheinischen Germanien Kämpfe geführt. 9 v. Chr. nahm seine erfolgreiche militärische Karriere jedoch ein tragisches Ende, als er auf dem Rückweg von einem Feldzug infolge eines Reitunfalls verstarb. Der Drususstein steht wohl mit diesem Ereignis in Verbindung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem Bauwerk nämlich um ein sogenanntes Kenotaph, ein Totenmonument ohne darin bestatteten Leichnam, für den in Rom beigesetzten Feldherrn. Noch viele Jahre später ist bezeugt, dass man alljährlich an Drusus’ Todestag vor dem ihm gewidmeten Monument eine Parade veranstaltete und ein religiöses Opfer darbrachte.

Karte des römischen Mainz mit Drususstein (Station 6), römischem Theater (Station 5) und Dativius-Victor-Bogen (Station 2).

 

Der Drususstein und das im römischen Mainz praktizierte Gedenken an den Feldherrn führen eine häufig übersehene menschliche Seite der römischen Kriegskultur vor Augen. Hier wird nicht etwa an einen großen Sieg erinnert, sondern stattdessen versucht, den Tod eines angesehenen Generals zu verarbeiten. Das Monument ist damit ein eindrückliches Zeugnis soldatischer Erinnerungskultur in der Antike.

 

AutorIn: Florian Groll